Reaktion auf 090515_FAQs_Stop_Kampagne.pdf

Vor ein paar Tagen wurde die Homepage der Deutschen Kinderhilfe gehackt und später gänzlich abgeschaltet, jetzt ist sie wieder online und verlinkt ein recht interessantes Dokument, welches von der Deutschen Kinderhilfe als "Häufig gestellte Fragen" betitelt wird: http://www.kinderhilfe.de/090515_FAQs_Stop_Kampagne.pdf.

Ich möchte hier auf ein paar Punkte aus diesem PDF eingehen, und hoffe es interessiert jemanden.

1. Kriminalisierung von unschuldigen Usern, die zufällig, etwa wegen einer Spamwelle, auf die
Stop-Seite kommen

Das Betrachten eines kinder“pornographischen“ Bildes erfüllt den Straftatbestand des § 184 b StGB.
Nach geltender Rechtslage macht sich derjenige, der das Bild betrachtet und damit in seinem
Arbeitsspeicher lädt, strafbar, auch wenn es durch eine Spamwelle kommt. In Ermittlungsverfahren
wird dies aber ermittelt und führt nicht zur Anklage. Wenn nun statt des Bildes ein Stop-Schild
erscheint, entfällt die Strafbarkeit. Wenn jedoch der User die Sperre umgeht, macht er mit gesteigerter
krimineller Energie deutlich, dass es ihm auf das Betrachten der Datei ankommt. Somit macht er sich
strafbar. Eine Kriminalisierung Unschuldiger kommt durch dieses Gesetz damit nicht zustande.


Wie zur Hölle soll das bitte ermittelt werden?
Per Analyse der Referrer-Header? Die man mit Hilfe von einer Zwischenseite lustig faken kann? Die man sowieso nicht überträgt, wenn man sich halbwegs anonym im Netz bewegen möchte?
Oder vielleicht durch die Anzahl der Zugriffe? So dass man erst mehrere präparierte Mails verschicken muss, damit die Grünen bei dem Opfer vor der Tür stehen?

Und wozu brauch ich hier gesteigerte kriminelle Energie bei der Umgehung der Sperre? Das Betrachten ist doch schon Straftat genug, oder nicht? Oder bekomme ich etwa eine höhere Strafe, wenn ich zehn Leute mit einer geklauten, statt meiner eigenen, Pistole erschieße? Oder wenn ich gar keinen Waffenschein habe?
Anmerkung an das BKA: Nein, ich besitze keine Handfeuerwaffen, auch keine anderen "unnormalen" Waffen. Ein schweizer Taschenmesser könntet ihr bei mir aber finden, genauso wie ein paar Gabeln und ein recht scharfes Asiatisches Küchenmesser -- ich bin immer noch kein Mörder. Und wenns ganz hart kommt: hier im Haus soll es Wasser geben und jeder Chemiker oder Physiker wird euch bestätigen, dass man aus H2O mit genug Aufwand H2 herstellen kann und damit kann man ja schließlich Wasserstoff-Bomben bauen... Aber ich fürchte ich weiche ab...

2. Die Liste führe dazu, dass Inhalte die nicht dem § 184 b StGB unterfielen, willkürlich
gesperrt würden. Das Ganze sei zudem eine Geheimliste und dubios.

§ 8 a Abs. 8 regelt, dass das BKA Unterlagen vorzuhalten hat, die belegen, warum eine Seite gesperrt
wurde. Es hat Dienstanbietern, die ein berechtigtes Interesse darlegen, entsprechend Auskunft zu
erteilen. Dies führt zu einer Haftung des BKA für den Fall, in dem eine Seite zu Unrecht mit dem Stop-
Schild versehen wird.


Wo und wann dürfen wir Bürger (die übrigens vor ein paar Tagen die Einladung zur Europa-Wahl im Briefkasten hatten *wink mitm Zaun*) diese Liste einsehen? Wenn da ausschließlich böse Seiten gelistet sind, wird sicherlich keiner was dagegen haben, dass wir dies mal überprüfen, oder? Und keine Angst, wir machen es nicht während wir in Deutschland sind, nein wir machen es nicht mal selber, aber es wird sicherlich Mittel und Wege geben, diese Liste legal zu prüfen, nur so für den Fall, dass dort doch irgendwas drauf ist, was gar nicht gesperrt werden sollte.

3. Dieses Gesetz ist der Einstieg in die Zensur

Es geht hier nicht um Zensur. Zensur ist ein Verstoß gegen die Meinungs- und Pressefreiheit.
Kinder“pornographie“ ist ein Straftatbestand! Es geht darum die Grundsätze, die im Presserecht und
für Druckwerke gelten, auch im Netz zu etablieren. Wird in einer Zeitung ein solches Bild gezeigt, wird
die Auflage eingezogen, gleiches muss für Internetseiten gelten.


Doch, genau das ist Zensur.
Wenn jemand auf die Idee kommt so ein Bildchen in einer Zeitung oder einem Buch zu veröffentlichen, ist er nicht nur seine Auflage los, sondern mit ziemlicher Sicherheit auch sein Job und seine Freiheit.
Kann man das bitte genauso mit den Betreibern solcher Seiten machen? Und kommt bitte nicht mit wir haben da keine Gewalt, in Zeiten von UN, EU etc ziehen solche Argumente nicht, wir sind hier weder im Mittelalter noch bei Napoleon (auch wenn "Nacht im Museum 2" bald in die Kinos kommt).

4. Dieses Gesetz soll einen groß angelegten Angriff auf die Freiheit des Internets vorbereiten,
um Glücksspiel, Onlinespiele, etc. zu sperren

Es handelt sich um ein Gesetz, das ausschließlich für die widerwärtigen Straftaten der
Kinder“pornographie“ geschaffen wurde. Es ist zudem zeitlich befristet und muss evaluiert werden.
Dies ist eine Besonderheit, die sicher stellt, dass auch die Wirksamkeit geprüft wird.


Ja ne is klar!
Ansonsten seh ich hier kein Problem, solange wir die Liste einsehen dürfen, und das dürfen wir doch, oder?

5. Die Sperren seien leicht zu umgehen

Diese Sperren sind nur für den zu umgehen, der mit krimineller Energie an kinder“pornographische“
Dateien gelangen möchte. Zahlreiche Menschen, die im Internet auf Kinderpornos zugreifen sind
Gelegenheits- oder Zufallskonsumenten. Nach Erkenntnissen des BKA lassen sich viele von ihnen
durch ein Stop-Schlid abschrecken und geben ihr Vorhaben auf. Wichtig ist es, die Hürde, um an
pornographisches Material heranzukommen, heraufzusetzen. Die Sperren sind in anderen
europäischen Ländern bewährt. Auch Einbruchssicherungen an Häusern können geknackt werden.
Das ist kein Argument gegen Schutzmaßnahmen.
[...]


Ich glaube kaum, dass "Zahlreiche Menschen, die im Internet auf Kinderpornos zugreifen [...]
Gelegenheits- oder Zufallskonsumenten" sind, das passt einfach nicht in mein Weltbild. So Leid es mir tut, entweder jemand ist pädophil, oder er ist es nicht. Und wenn ers ist, wird er öfters auf solche Ressourcen zugreifen. Oder wollen wir jeden 14-jährigen pubertierenden Sprössling verklagen, weil er bei Google "porn" eingegeben hat und (hier tatsächlich per Zufall) bei einem Bild von einer 17-jährigen, die erst übermorgen 18 wird, gelandet ist?

Und kriminelle Energie zum umgehen dieser Sperren braucht man nichtmals. Zumindest bei mir zu hause werden alle DNS Anfragen direkt verarbeitet (bzw an die zuständigen DNS Server weitergeleitet), ohne den cachenden DNS meines ISP zu fragen -- nicht weil ich irgendwelche Sperren umgehen möchte, sondern weil der DNS meines ISP einfach langsam und buggy ist.

Und ja ich schließe meine Haustür ab, anstatt sie offen zu lassen. Ein Anwalt mag mich bitte korrigieren, aber ich glaube es ist kein Einbruch, wenn die Tür komplett offen steht und somit absolut kein Hindernis darstellt. Aber damit wären wir wieder bei meinen Waffen, und deswegen hör ich hier jetzt lieber auf.

PS: Nennt das Kind doch bitte beim Namen: Kinderpornographie oder Kindermisshandlung oder -missbrauch oder noch irgendwie, aber bitte nicht Kinder"pornographie" -- das klingt absolut lächerlich!

Comments

novalix wrote on 2009-05-19 16:23:

Zu Punkt 1 habe ich mir auch schon meine Gedanken gemacht.

Angeblich sollen nur Mehrfachaufrufer der Stoppseite in das Fahndungsraster des BKA gelangen.

Durch die Praxis der dynamischen IP-Vergabe ist allerdings davon auszugehen, dass das BKA sich täglich von den Providern die aufgelösten Daten der gespeicherten Verbindungen zieht.

Wie sollten die Daten sonst sinnvoll verglichen werden.

Im Gesetz steht allerdings überhaupt gar nichts darüber, was mit den gespeicherten Daten geschehen soll. Keine Speicherfrist. Nichts.

Es ist also davon auszugehen, dass jeder, der – gewollt oder nicht – einmal auf eine solche Stoppseite gelangt ist, im Fahndungsraster des BKA existiert. Auch dann, wenn zunächst keine weiteren Ermittlungen stattfinden.

Das könnte interessante Komplikationen ergeben, wenn diejenigen dann vorhaben, in den Staatsdienst einzutreten, oder eine politische Karriere im Blick haben.

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